„Mein erster Gedanke war: Wahnsinn!“, sagt Gesellschafts-Tierärztin der R+V Versicherung Stephanie Ohm, als sie mir von dem tragischen Unfall eines erfolgreichen Sportpferdes erzählt. Was genau passiert ist und was den Fall für sie so spannend macht, erzählt sie in diesem Interview.

Frau Ohm, als Gesellschafts-Tierärztin der R+V Versicherung haben Sie täglich Krankengeschichten von Pferden auf dem Tisch, die sie prüfen und bewerten. Warum haben Sie diesen Fall mitgebracht?

Die meisten Menschen denken bei einer Operationskostenversicherung für Pferde als erstes an die Kolik-OP, die ausreichend versichert sein soll. Grundsätzlich auch richtig, sie kommt am häufigsten vor. Aber diese hohe Absicherung alleine macht noch lange keine gute Versicherung aus. Aus der Erfahrung heraus weiß ich, dass es genauso wichtig ist, Frakturen, Sehnen-, Bänder- oder Muskelrisse sowie Eingriffe im Zahn- und Kieferbereich abgesichert zu wissen. Auch moderne Operationsverfahren sollten im Leistungspaket eingeschlossen sein. Pferde sind ein geliebter Freizeitpartner. Sie haben natürlich einen hohen ideellen Wert, stellen aber auch objektiv einen Vermögenswert dar, der gegen diverse Gefahren abgesichert werden sollte. So werden finanzielle Verluste minimiert bzw. Operationen ermöglicht, die ohne eine Versicherung nicht möglich wären. Im konkreten Fall geht es um eine Fraktur, die eine große Operation mit langer Nachbehandlungszeit nach sich zog. Die Stute hatte sich bei einer Springprüfung eine Fraktur am linken Hinterbein zugezogen. Der Tierarzt vor Ort übernahm direkt die Erstversorgung und stabilisierte das Pferd. Nur so war die Stute überhaupt bis in die Spezialklinik nach Belgien transportfähig.

Spezialklinik – und dann auch noch im Ausland. Das klingt erstmal sehr exklusiv. Ist das versichert?

Das macht den Fall so interessant. Hier stecken eine Menge „weicher“ Tarifmerkmale drin, die eine Operationskostenversicherung zu einem guten Produkt machen. Freie Wahl der Tierklinik ist ein wichtiger Punkt für Pferdebesitzer und sollte deshalb mitversichert sein. Zum Glück war diese spezialisierte Klinik nicht allzu weit vom nordrhein-westfälischen Turnierplatz entfernt. Die Stute war in einem kritischen Zustand und die Frage einer Nottötung stand durchaus im Raum.

Nottötung – was muss ich mir darunter vorstellen?

Nottötung heißt, dass ein Pferd nicht mehr geheilt werden kann und somit von seinen Leiden erlöst wird. Das klingt furchtbar, ist aber im Sinne des verletzten Tieres. Neben dem emotionalen Verlust ist es auch ein finanzieller, den man über eine Tierlebenversicherung absichern kann. Hier wird der Wert des Pferdes versichert, der dann zur Auszahlung kommt, wenn das Pferd durch eine Krankheit oder Unfall stirbt oder notgetötet werden muss.

Wie läuft so eine brisante Operation ab?

Die Ärzte in der Klinik haben sich anhand der ersten Röntgenaufnahmen noch am Turnierplatz ein Bild von der Fraktur gemacht. Nach Rücksprache mit uns als Versicherer haben die Tierärzte die Stute operiert. Inzwischen steht die Stute in der Klinik und wird Tag und Nacht überwacht. In einem Swinglifter, eine Art Tragegurt, werden die gesunden Beine entlastet. Die Gefahr, dass eine Krankheit heilt und dafür eine andere ausbricht, ist groß. Hufrehe ist bei einseitiger Belastung ein großes Risiko und würde alle Anstrengungen zu Nichte machen.

Was kostet so eine Operation?

4500 Euro muss man mit Voruntersuchung und Operation schon einkalkulieren. Dazu kommen noch die Kosten der Nachsorge, die bei einer 14-tägigen Kostenübernahme schon bei 5500 Euro liegen können.

Wie lange wird es dauern, bis die Stute wieder belastbar ist?

Zunächst ist es ein riesen Erfolg, dass die Stute lebt und sie den Klinikaufenthalt gut meistert. Wenn sie wieder in ihrem Heimatstall ist, wird sie ein gutes halbes Jahr nur etwas Schritt gehen dürfen. Erst nach weiteren sechs Monaten kann wieder an ein erstes Training gedacht werden. Ob sie wirklich in den großen Turniersport zurückkehrt, bleibt fraglich, aber eine Kämpferin ist sicher auch eine gute Mutter.

Danke für das Gespräch!